Marktkommentar von Ben Leyland, Senior Fund Manager des JOHCM Global Opportunities bei J O Hambro:
Der Vorschlag der USA, eine breite Palette von Zöllen auf globale Handelspartner zu erheben, löste eine heftige Volatilitätsphase an den Finanzmärkten aus. Angesichts dieser starken Reaktionen ruderte die Regierung schnell zurück. Aber es war klar, dass die Aussicht auf einen radikal anderen Ansatz im Handel glaubwürdig war. Die Globalisierung wird wahrscheinlich nicht verschwinden, aber sie wird auch nicht so bleiben, wie sie ist. Ebenso wichtig und typisch für solche Episoden sind vielleicht andere Anzeichen für einen grundlegenden Wandel. Die Inflation liegt zwar deutlich unter ihrem Höchststand von 2022, aber immer noch über dem Niveau, das die meisten Zentralbanken gerne sehen würden, und die Aussicht auf Zölle könnte das Risiko eines anhaltend höheren Inflationsniveaus noch verstärken. Angesichts der schwachen oder bestenfalls gemischten Beschäftigungsdaten müssen sich Anleger mit der Wahrscheinlichkeit einer Stagflation auseinandersetzen.
Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem die Anleger ihre letzten Rettungsanker verlieren. Die viel gepriesenen „Magnificent Seven“ schrumpften nach und nach auf vier und brachen schließlich auseinander, als der „DeepSeek Day“ die massiven Investitionen in Frage stellte, die KI-Modelle bis dahin prognostiziert hatten. Gerade als die US-Märkte ins Minus rutschten, erwachten die europäischen Märkte. In den ersten vier Monaten des Jahres verlor der S&P 500 4,32 %, der Russell 2000 11,04 %. Der Euro Stoxx legte dagegen um 7,42 % zu. Der deutsche DAX stieg um 13 % (Bloomberg, alle Angaben in Landeswährung).
Auslöser für diese Kehrtwende war die Erkenntnis, dass eine Reihe von Problemen, darunter der Krieg in der Ukraine und die Neugestaltung der diplomatischen Beziehungen der USA, einen Kurswechsel in Europa erzwangen. Konkret beeindruckte die Anleger die Ankündigung des damaligen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, dass Deutschland als letztes Land der G7 seine strenge Haushaltspolitik lockern wolle. Würde Deutschland seine Staatsverschuldung auf 100 % des BIP erhöhen, was dem Niveau anderer „schuldenarmer” G7-Staaten entspräche, würde dies zusätzliche Ausgaben in Höhe von rund 1,7 Billionen Euro (1,9 Billionen US-Dollar) bedeuten.
Ein Teil dieses Geldes wird in die Weltwirtschaft fließen. Ein Großteil davon wird sich in der Europäischen Union verteilen. Der Hauptnutznießer werden jedoch deutsche Unternehmen sein. Für internationale Anleger ist dies eine Gelegenheit, eine Rezession zu vermeiden, indem sie in Europa und in nicht konjunkturabhängige Sektoren in Deutschland investieren und gleichzeitig die vollen Auswirkungen der Zölle vermeiden, indem sie sich auf Sektoren mit einer starken Binnenausrichtung konzentrieren.
Deutsche Börse, Merck und Siemens im Top-20-Portfolio
Aus Ländersicht erscheint es uns sinnvoll, dass Deutschland mit derzeit rund 20 % der Strategie unsere mit Abstand größte Übergewichtung darstellt. Schweden und Frankreich sind ebenfalls übergewichtet, da sie wirtschaftlich nah an Deutschland liegen. Auf Sektorebene bevorzugen wir Versorger, Rohstoffe, Industrie und Energie, also Sektoren, in denen wir Unternehmen finden, die unsere Kriterien für „Qualitätswert“ erfüllen, d. h. starke Bilanzen, ein etabliertes Geschäft und eine attraktive Bewertung.
Zu unseren wichtigsten Übergewichtungen zählen ein Finanzunternehmen, das eine der führenden Börsen Europas betreibt, sowie eine international bedeutende Clearingstelle. Dies sind Kerngeschäfte, die von der Marktvolatilität profitieren, da diese den Handel ankurbelt. Noch wichtiger ist jedoch, dass sie langfristig nur sehr schwer zu replizieren sind, da sie komplexe und umfangreiche Technologien erfordern und aufgrund ihrer historischen Markenbekanntheit eine nahezu monopolistische Stellung einnehmen. Ihre täglichen Aktivitäten generieren eine Vielzahl von Daten, deren Wert mit zunehmender Akkumulation steigt. Als Dienstleister sind sie zwar auf den heimischen Markt fokussiert, aber in der Regel von Zöllen befreit.
Ein weiterer Sektor ist die Verteidigungsindustrie, für die wir uns seit vielen Jahren interessieren, zunächst in den USA und seit etwa fünf Jahren auch in Europa. Unternehmen in diesem Sektor weisen in der Regel hohe Eintrittsbarrieren und relativ stabile langfristige Erträge auf – beides Eigenschaften, die wir für wichtig halten. In Europa, wo unser Interesse derzeit liegt, haben wir ursprünglich in ein Unternehmen investiert, dessen Wert weniger in der Hardware als vielmehr in der technologieübergreifenden Nutzung lag, da wir dieses Modell für produktdiverser hielten. Seitdem haben wir einen „Cluster” von Beteiligungen aufgebaut, was sich in den letzten Monaten ausgezahlt hat, da eine radikale Erhöhung der Verteidigungsausgaben nun im Mittelpunkt der politischen Debatte in Europa steht.
Zölle, künstliche Intelligenz, geopolitische Neuausrichtungen – all dies sind wichtige Entwicklungen, die anhalten und das makroökonomische Umfeld neu gestalten werden. Die nachhaltigste Veränderung bleibt jedoch die Rückkehr zu einer Welt mit positiven Kapitalkosten. Unserer Meinung nach rückt damit wieder das Kernmerkmal unseres Ansatzes in den Vordergrund: qualitativ hochwertige Unternehmen mit einer starken, langfristigen Marktposition, die zu einer Bewertung mit klarem und erheblichem Aufwärtspotenzial erhältlich sind.